Das „theater en miniature“ lässt die uralte Tradition der Puppenspielkunst auferleben und verzaubert damit die Kinder.

OFTERSHEIM. Sie ist so lang, dass Vögel auf ihr sitzen könnten. Und sie wächst, wenn der Junge lügt. Gemeint ist die hölzerne Nase von Pinocchio, der Kinderbuchfigur des italienischen Autors Carlo Collodi. Der Bub ist alles andere als ein Musterkind: Er will nicht in die Schule gehen, hört nicht auf Erwachsene und nimmt es mit der Wahrheit nicht so genau.
Auf seinen lehrreichen Abenteuern – in gewisser Weise ist die Pinocchio-Geschichte auch ein Entwicklungsroman, in dem der jugendliche Held schrittweise zum Erwachsenen reift – hatte der hölzerne Bengel die Kinder im ausverkauften Rose-Saal im Schlepptau. Dort gastierte das „theater en miniature“ aus Leimen auf Einladung der Gemeindebücherei.
Uralte Tradition
Das 1991 als mobile Bühne gegründete Theater, das für seine Inszenierungen für Kinder und Erwachsene auf zahlreichen nationalen und internationalen Festivals ausgezeichnet wurde, zeigt sich eng verbunden mit der uralten Tradition der Puppenspielkunst. Dazu passt es auch, dass es sich der Pinocchio-Geschichte annahm, die sich bereits im 19. Jahrhundert in Italien großer Beliebtheit erfreute und 1905 erstmals ins Deutsche übersetzt wurde.
Herkunft ist unglaublich
Pinocchios Herkunft ist unglaublich und wunderbar zugleich. Denn wem passiert es schon, dass er aus einem Stück Pinienholz eine Holzpuppe schnitzt, die plötzlich – kaum, dass der Mund fertig ist – zu sprechen, beginnt? Und die, sobald sie fertiggestellt ist, lebendig wird? Diese unglaubliche Geschichte ereignet sich im Hause des Künstlers Gepetto, der arm ist, und davon träumt, einmal ein Theater zu besitzen.
Gepetto tauft seine Holzfigur Pinocchio und schickt sie zur Schule. Doch auf dem Weg dorthin entdeckt Pinocchio ein Puppentheater, das ihn unwiderstehlich anzieht. Mit seinem Schulbuch, das ihm eigentlich Lesen und Schreiben beibringen soll, kauft er sich eine Eintrittskarte und findet bald neue Freunde: Kasper, Seppel und die Prinzessin Peppina.
Mechtild Nienaber hat Pinocchio und seine Wegbegleiter als ausdrucksstarke Handpuppen geschaffen, die Ellen Heese wirkungsvoll in Szene setzt. Daneben geben Masken, hinter denen sich Andrej Uri Garin in den Rollen von Gepetto und dem Puppentheater-Direktor Zappano verbirgt, der Inszenierung ihr unverwechselbares Gesicht.
Pinocchio erlebt eine Reihe aufregender Abenteuer. Peppina wird von einem Gespenst entführt, er selbst entgeht nur knapp dem Tod als Feuerholz und wird von den Gaunern Fuchs und Kater um sein Geld betrogen. Außerdem weiß Zappano um ein Geheimnis in Gepettos Gemüsekarren, woraufhin ein Wettlauf mit der Zeit beginnt. Für Pinocchio ist es nicht leicht, den rechten Weg zu finden. Immer wieder meint er, auf bequeme Art zum Ziel zu kommen. So will er auf dem „Feld der Wunder“ sein Geld vermehren. Als er scheitert, schaltet sich die Erzählerin der Geschichte, Ellen Heese, ein, die ihm – wie auch an anderen Stellen des Stücks – durch Ratschläge zu helfen versucht.
Ohne erhobenen Zeigefinger
Die Kinder mögen Pinocchio, der ihnen in vielem so ähnlich ist, freuen sich über seine Erfolge und leiden mit ihm, wenn er Niederlagen einstecken muss. Sie erleben einen spannenden Theaternachmittag, der auf amüsante Art und ohne erhobenen Zeigefinger zeigt, worauf es im Leben ankommt.
Dass am Ende Pinocchio und seine Freunde das Geheimnis in Gepettos Gemüsekarren lüften, in dem sich – verborgen hinter einem Gemälde – ein prunkvolles Theater befindet, ist ein gelungenes Happy End. Denn was können sie sich Schöneres vorstellen, als zusammen Theater zu spielen und Gepetto als Direktor zu haben? Doch die Show beginnt nicht sofort, denn Pinocchio hat aus seinen Abenteuern gelernt: „Erst kommt die Schule, dann das Vergnügen.“

Der kleine Kerl mit der langen Nase begeisterte

Hinreißend spielten Andre] Uri Garin und Ellen Heese die
Geschichte von Pinocchio, der im Verlauf des Theaterstücks aus
einem Stück Pinienholz geschnitzt wurde

Wiesloch. Die derzeit laufenden Literaturtage in der Weinstadt bieten ein breit gefächertes Angebot für Jung und Alt. Und dabei hat man auch die Knirpse nicht vergessen, zwar nicht unbedingt immer mit einer klassischen Lesung, so doch beispielsweise mit einem unterhaltsamen Theaterstück. Im Kellergeschoss der Stadtbibliothek im Kulturhaus führte das „Theater en Miniature“ als Figurentheater und Schauspiel das aus der Feder von Carlo Collodi stammende Werk „Pinocchio“ auf.

Großer Andrang, gespannte Erwartung und viel Spaß, aber auch Lehrreiches prägte den unterhaltsamen Nachmittag. In den vorderen Reihen hatten sich viele der kleinen Besucher auf Kissen ebenerdig niedergelassen, weiter hinten verfolgten Mütter und 0mas spannende Geschichten auf der minimalistischen, aber phantasievollen kleinen Bühne. Geheimnisvolle Töne aus versteckten Lautsprechern kündigten Großes an und Ellen Heese, die Geschäftsführerin des Theaters, stimmte die fröhliche Besucherschar auf das Bevorstehende ein. Die gelernte Sozial-Pädagogin ist seit 1985 erfolgreich als Puppen- und Figurenspielerin und Theaterleiterin tätig. Neben ihrer Bühnentätigkeit bietet sie auch Seminare für Kinder und Pädagogen an. „Um was geht es den heute?“, so ihre Eingangsfrage und das junge Publikum zeigte sich informiert. „Um Literatur“, war zu hören. „Ja, aber heute wird nicht aus Büchern gelesen, sondern Theater gespielt“, informierte Heese. Dann ging es los. Der grummelnde Gepetto trat auf, dargestellt von Andrej Uri Garin, Schauspieler, Puppenspieler, Regisseur, Puppenbauer, Szenograph. Garin ist seit 1991 Figuren- und Bühnenbauer, Regisseur und künstlerischer Leiter des „Theater en Miniature“. Alsbald schnitzte er aus Pinienholz eine Puppe und tauft sie auf den Namen Pinocchio. Der Kleine ist naseweis, naiv und komisch und begeistert von den großartigen Dingen, die die Welt ihm zu bieten hat. Seine lange Nase ist Ausdruck für seine unbändige Neugier und sympathische Frechheit. Eigentlich sollte Pinocchio etwas lernen und so war es eigentlich geplant, den hölzernen Knirps auf die Schule zu schicken. Doch dieses sinnvolle Ansinnen wurde jäh unterbrochen, und zwar von Neugier und Abenteuerlust des kleinen Gesellen mit der langen Nase und dem lustigen Käppchen. Das Kerlchen verkauft sein Schulbuch, entdeckt ein Puppentheater mit Kasperle und Freunden und verstrickt sich alsbald in eine Reihe spannender Abenteuer. Er wird von listigen Gaunern um sein Geld betrogen, entgeht nur knapp einem Ende als Feuerholz, gerät in eine wilde Verfolgungsjagd, begegnet aber auch guten Freunden. Zusammen mit ihnen findet er heraus, wem er vertrauen kann, wer er ist und was er will und findet so seinen eigenen Weg. Köstlich die Herstellung des kleinen Wirbelwinds, einfühlsam auch die pädagogischen Elemente, die die Schauspieler in die Handlung einbauten. Zwischendurch immer wieder schnelle Umbauaktivitäten der Dekoration, die Schauspieler schlüpften gleich in mehrere Rollen und die Begeisterung der kleinen Besucher war in vielen Szenen unüber-hörbar. Buchstaben wurden an diesem Nachmittag lebendig, und dies dank einer gelungenen Umsetzung seitens der Schauspieler des „Theater en Miniature“. Die phantasievolle Inszenierungen verband am Nachmittag im Keller der Stadtbibliothek pädagogisch durchdachte Themen mit einer hohen künstlerischen Qualität. Seit nunmehr fünf Jahren bietet das Theater, das sich seit 1991 auf unterhaltsamer Achse befindet, auch Seminare zu Themen der Puppenspielkunst für Multiplikatoren aus pädagogischen und therapeutischen Berufen an.